Die Ruller Fahnen

Alte Ruller Fahnen glänzen wieder

Auf der Suche nach Dekorationsmaterial für unsere Fotoausstellung (siehe: Ruller Bilderschatz) durchstöberten Mitglieder unserer Kolpingsfamilie im Sommer 1998 den Dachboden und den Turm unserer Wallfahrtskirche. Als wir die Tür eines längst vergessenen Schrankes auf dem Kirchturm öffneten, wußten wir zunächst nicht so recht, ob wir hier einen haufen Lumpen oder des Kaisers alte Kleider gefunden hatten. Fetzen hingen von den Stangen, staubig und stinkend.

Diese alten Stoffe sollen einmal glänzend leuchtende Fahnen gewesen sein?
Es sind Fahnen aus Deutschlands Kaiserzeit, die zu Hochzeiten von den Ruller Bürgern durch die Gemeinde getragen wurden, damit sich die Vereinsmitglieder dahinter versammeln konnten. Als wir noch auf dem Kirchturm mit dem Finger eine kleine Stelle auf einer Fahne vom Schimmel befreiten kam das Gesicht der Gottesmutter Maria zum Vorschein. Vorsichtig entfernten wir dann einige Tage später Fahnen mit einem Handstaubsauger und einer weichen Bürste vom Schimmelbefall. Was dabei zum Vorschein kam, bestärkte uns in der Meinung, dass diese Fahnen unbedingt für die Nachwelt erhalten bleiben müssen.

Aber wie?
Die Fahnenstoffe hatten sich durch die lange unsachgemäße Lagerung bereits größtenteils aufgelöst, so dass die Fahnen nur noch von den ebenfalls bereits stark beschädigten Stickereien zusammengehalten wurden. Ein weiteres Problem waren die enorm hohen Kosten, die für eine Restauration aufgebracht werden mussten. Somit verschwanden die Fahnen zunächst erst einmal wieder in einem Schrank.

Manchmal hilft dann aber auch der Zufall weiter. Als Mitglieder unserer Kolpingsfamilie zu Gast bei der Kolpingsfamilie in Cottbus waren, zeigten ihnen die dortigen Kolpinger stolz ihre gerade frisch restaurierte, 100jährige Vereinsfahne. Diese Fahne wurde in einer kleinen Stickerei in Polen kostengünstig und handwerklich einwandfrei restauriert.

Insgesamt drei Mal nahmen Ludger Meyer, Stephan Garthaus und Burkhard Meyer die jeweils 2000 Kilometer lange Fahrt auf sich, um alle aufgefundenen Ruller Fahnen zu dieser Stickerei nach Starograd zu bringen, und nun ist die Arbeit geschafft; alle Fahnen haben einen glänzenden, neuen Grundstoff erhalten, auf dem die alten Stickereien Millimeter für Millimeter übertragen wurden. Nun erstrahlen sie wieder wie in alten Zeiten, die Fahnen des Ruller Kreuzbündnisses von 1910, des Katholischen Arbeitervereines von 1910, des Kriegervereines von 1900, der Jungfrauenkongreation, des Herz-Jesu-Vereines sowie zwei Kreuzfahnen von 1852 und 1902. Auch der ebenfalls auf dem Kirchturm aufgefundene, ca. 150 Jahre alte, barocke Ruller Baldachin wurde zwischenzeitlich in Polen restauriert. Nicht nur vergessene Fahnen haben dabei ihren alten Glanz zurückerhalten. Auch die Fahnen des MGV Cäcilia Rulle und des Ruller Schützenvereines sind von den Kolpingern nach Starograd gebracht und dort restauriert worden.